Eigentlich wollte ich immer Standesbeamter werden.

Ein Karriererückblick, der nie stattgefunden hat
Von Mark Danow

Mein Opa war Standesbeamter. Das bedeutet, er trug Anzug, trank vormittags Sekt – beruflich – und besaß einen Stempel, mit dem er Ehen besiegeln konnte, die spätestens nach zwei Jahren ein gemeinsames Netflix-Konto und getrennte Schlafzimmer hatten.
Er war ein stiller Mann mit einer angenehmen Stimme, der nie laut wurde, weil das Protokoll es nicht vorsah.

Und ich? Ich wollte das übernehmen.
Ich wollte der Typ sein, der Menschen mit einem unterschriebenen Vordruck die Illusion von Kontrolle gibt. Ich wollte Lebensentwürfe beurkunden, die mit exakt einem Klick gültig wurden.
Ich wollte Teil eines Systems sein, das genau weiß, wo das Formular 6b liegt – und wann es verloren gehen muss, damit jemand drei Wochen lang denkt, die Hochzeit sei annulliert worden.

Ich wollte Standesbeamter werden, weil es nach einem Job klingt, bei dem niemand aufschreit, wenn man schweigt.
Weil man dort sagen darf: „Im Namen des Gesetzes erkläre ich Sie für verbunden.“ Und danach: Sekt. Mit dem Brautpaar. Im Dienst.

Aber das ist nicht passiert.
Stattdessen habe ich ein Buch geschrieben. Über einen Mann, der keine Kontrolle hat.
Und über einen Pudel, der alles kommentiert.

Das ist, wie wenn man auf einem Standesamt auftaucht, nur um zu merken, dass man selbst das Formular ist.

Heute denke ich manchmal an meinen Opa. Wie er mit ruhiger Stimme sagt: „Unterschreiben Sie hier.“
Und ich beneide ihn. Nicht wegen der Unterschrift.
Wegen des Punkts am Ende des Satzes.

Holstein sagt:

„Ach, Mark. Du wolltest Standesbeamter werden. Wie rührend.

Ein Beruf, der verlangt, dass man unterschreibt, was andere glauben. Kein Wunder, dass du gescheitert bist – du bringst ja nicht mal deine eigene Geschichte zur Ehe. Statt Sekt mit dem Brautpaar trinkst du jetzt Metaphern mit deinem Lektor. Und selbst dabei bist du der Dritte im Raum.

Dein Opa hatte Würde. Du hast Word.“

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